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Myofunktionelle Störungen

Myofunktionelle Störungen

Definition

Myofunktionelle Störungen beschreiben ein muskuläres Ungleichgewicht im Gesichtsbereich. Besonders betroffen sind bei dieser Bewegungsstörung die Gesichtsmuskulatur, Lippen, Zunge, aber auch das Gaumensegel, der Rachen und der Kiefer. Myofunktionelle Störungen können schon im Säuglingsalter z.B. durch schwaches Saugen oder Trinken entstehen.

Wen betrifft es?

Kinder und Jugendliche sind am häufigsten betroffen. Meilinger, M. (2015) konnten in einer Studie zeigen, dass 19,8% von 102 untersuchten fünf- bis siebenjährigen Kindern (Durchschnittsalter: 5;8 Jahre) eine Myofunktionelle Störung (Kombination aus 3 bis 4 Einzelsymptomen, wie etwa Zungenvorstoß beim Schlucken, geöffnete Zahnreihen, Lippenmitbewegungen beim Schlucken oder Mundatmung/offene Mundhaltung). Einzelne Symptome kamen häufiger vor:

  • isolierte Vorschubbewegung der Zunge beim Schlucken (Zungenprotrusion oder auch Zungenstoß genannt): 23,8%
  • eingeschränkte Lippen- und/oder Zungenbeweglichkeit: 41,4%
  • offene Mundhaltung: 54%

Aber auch im Erwachsenenalter können myofunktionelle Störungen vorkommen, die meistens ihre Ursprünge im Kindesalter haben Diese können z.B. Stimmstörungen, Kopfschmerzen, Probleme mit den Kiefergelenken mit verursachen.

Ursachen

Es gibt nicht die „eine“ Ursache für eine myofunktionelle Störung. Anatomische Ursachen sind z.B. Fehlbildungen im Kopfbereich (z.B. Spaltfehlbildung an Lippen-Kiefer- Gaumen), eine schwach ausgeprägte Mundmuskulatur, die Verlegung der Nasenatmung durch Polypen, Vergrößerungen der Tonsillen (Mandeln), ein verkürztes Zungenbändchen. Auch gibt es mögliche Ursachen, die im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung und/oder mit neurologischen Störungen stehen. Hier ist z.B. die infantile Zerebralparese zu nennen oder neuromuskuläre Erkrankungen. Auch Gewohnheiten wie ein ständiges Nuckeln an der Trinkflasche, das häufige Nutzen eines Schnullers, Daumenlutschen, Lippenbeißen oder Lippenbefeuchten mit der Zunge können die Entstehung einer myofunktionellen Störung begünstigen.

Woran erkennen Sie eine mögliche myofunktionelle Störung? Eine Auswahl an möglichen Symptomen:

  • Mund steht häufig offen, meistens mit Mundatmung
  • „Sabbern“, Speichellaufen auch in Verbindung mit einem Ausschlag um den Mund
  • Wenig Kauaktivität: meist werden weiche Speisen bevorzugt
  • Zähneknirschen
  • Lücke zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers (offener Biss)
  • Eine unphysiologische Ruhelage der Zunge zwischen den Zähnen oder oder mit Druck gegen die Zähne

Auswirkungen auf das Hören

Durch eine Schwäche der Gaumen- und Rachenmuskulatur kommt es zu einer gestörten Mittelohrbelüftung bis hin zu einem Paukenerguss. Ein Paukenerguss führt zu Einschränkungen des Hörens. Ein langanhaltender Paukenerguss kann negative Auswirkungen auf die kindliche Sprachentwicklung haben.

Auswirkungen auf die Atmung

Wenn der Mund immer offen steht, wird die Nasenatmung nicht mehr bedient. Die Einatemluft wird durch die Nase nicht mehr angewärmt und gefiltert, sondern kommt unvorbereitet durch den Mund in die unteren Atemwege. Der Mund trocknet aus, die Schleimhäute werden rissig. Auch steigt die Infektionsanfälligkeit.

Auswirkungen auf das Kieferwachstum und die Zahnstellung

Durch eine myofunktionelle Störung können das physiologische Kieferwachstum und die Ausbildung einer korrekten Zahnstellung betroffen sein. Die Kraft und Bewegungen der Zunge und der Lippen sind hierfür wichtig. Für die korrekte Zungenruhelage ruht das vordere Zungendrittel knapp hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumen, ohne dass die Zungenspitze gegen die Schneidezähne drückt. Liegt sie dort nicht, so drückt die Zunge mit jedem Schluckvorgang (wir schlucken 1-2 mal pro Minute) gegen die Zähne und verschiebt diese allmählich. Der Kontakt zum Gaumen kommt noch seltener zustande, und der Kiefer bleibt schmal, meist hoch ( wir auch „gotischer Gaumen“ genannt und lässt wenig Platz für die bleibenden Zähne.

Auswirkungen auf das Sprechen/die Sprachentwicklung

Die betroffenen Strukturen, wie Lippen, Zunge, Kiefer, u.s.w. sind maßgeblich an der Sprachlautausformung (Vokale, Konsonanten) beteiligt. Aus diesem Grund zeigen Kinder mit einer myofunktionellen Störung häufig Störungen in der Aussprache (phonetische Störungen). Das Lispeln im (Vor-) Schulalter kann z.B. auf eine Einschränkung der Zungenmotorik hindeuten.

Behandlungsmöglichkeiten

So vielfältig die Ursachen sind, so vielfältig sind die Behandlungsmethoden. Als Grundlage dient eine ausführliche logopädische Anamnese und Diagnostik. Hier werden die einzelnen Atem-, Schluck-, Sprech-Funktionen überprüft, nach dem Essverhalten und eventuell aufrechterhaltenen Gewohnheiten gefragt. Danach erfolgt eine zielgerichtete Therapieplanung, die auch interdisziplinär ausgerichtet sein kann. Eine intensive Zusammenarbeit mit z.B. Kieferorthopädie, Phoniatrie, HNO, Physiotherapie hat sich dabei bewährt.

Tipps für den Alltag

Pusten: Pustespiele (Seifenblasen, Kerzen auspusten, Tischtennisball- Wettpusten)

Ansaugen: mit dem Strohhalm etwas ansaugen (z.B. kleine Papierschnipsel, Wattebäusche)

Kauen: im kaufähigen (im Laufe des 2. Lebensjahres, je nach Zahnentwicklungsstand) Alter jeden Tag feste Nahrung anbieten

Wangen aufblasen und Luft langsam entweichen lassen

Luftballons aufpusten

Abbau von ungünstigen Angewohnheiten wie z.B. ständigem Schnullergebrauch, Daumenlutschen, Fingernägelkauen

Quellenangaben

Meilinger, M. (2015). Untersuchung ausgewählter Aspekte myofunktioneller Störungen im Vorschulalter. 2. unveränderte Auflage. München: Utz

https://www.dbl-ev.de/logopaedie/stoerungen-bei-kindern/stoerungsbereiche/schlucken/funktionelle-orofaziale-stoerungen-myofunktionelle-stoerungen

Literatur- und Spieletipps

Kittel, A. (2022). Myofunktionelle Störungen. Ein Ratgeber für Eltern und betroffene Erwachsene. Idstein: Schulz-Kirchner Verlag

Stellmacher, H. (2011). Moritz Moppelpo braucht keinen Schnuller mehr: Ein Spielbuch mit vielen Klappen | Das beliebteste Pappbilderbuch zum Thema Schnullerentwöhnung für Kinder ab 24 Monaten

Haba Spiel „Pustekuchen“

Haba Spiel „Mimik Memo“